Tag 4 - Fähre auf Marokkanisch
- Nadine
- 12. Feb. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Aug. 2019
Um 05:30 starrt mich ein entsetzter Kevin im Halbschlaf an und fragt mich, wie lange mein Wecker denn schon läutet und ob wir nicht langsam aufbrechen sollten. Ich brauche einen Moment um mich zu orientieren und gebe schliesslich Entwarnung, dass das nicht mein Alarmton sondern Nachbar’s Güggel sei (unsere Fähre geht übrigens erst um 17:00). Der Güggel findet derweil, wir seien ja eh schon wach und hält die Nachtruhe nicht mehr ein, bis wir schliesslich um 8:00 aufgeben. Seit 13 Jahren lebe ich nun vegetarisch und würde niemals absichtlich einem Tier etwas zuleide tun aber wenn schon ein Güggel im Kochtopf landen muss, dann lasst es doch bitte diesen sein. Nach Frühstücks-Ei, Kaffee und Tee packen wir unsere Sachen für die zweitägige Überfahrt nach Tanger und fragen uns, ob wir es wohl rechtzeitig schaffen und was uns da wohl erwartet.

Um 10:30 stehen wir bereits in der Reihe mit unzähligen weiteren Bussen vor der Fähre. Diese haben nur wenig Ähnlichkeit mit unserem Hektor und sind allesamt dermassen bis obenhin überladen, dass einem Angst und Bange wird und der Reifendruck der meisten Fahrzeuge lässt bezüglich maximalem Zulade-Gewicht Böses erahnen. Von Dreirädern über alte Leitern findet sich hier auf den Dächern alter Lieferwägelchen, Autos und sonstigen Gefährten einfach alles. Fahrräder scheinen ein besonders beliebtes Importgut in Marokko zu sein. Wir müssen warten bis um 15:00, was uns aber überhaupt nicht stört, denn wir können ein bisschen Schlaf nachholen. Danke lieber Güggel. Hinter uns parkiert noch ein Glarner und Kevin und ich amüsieren uns heimlich ein bisschen über «die Schwiizer überall». Spass beiseite, neben zwei Deutschen, einem Engländer und dem Glarner hinter uns scheinen wir die einzigen Touris zu sein. Alle anderen, davon gehen wir aus, sind italienisch-Marokkaner, die Ware importieren. Nebst den Fahrrädern sehen wir hinter allen Windschutzscheiben Haufenweise Klopapier. Hoffentlich gibt’s das auf der Fähre, wir haben nämlich keines eingepackt. Der Zustand der meisten Fahrzeuge schockiert uns ein bisschen und wir hoffen, dass unserem Hektor bei der Überfahrt nichts passiert, vor allem da kurz nach drei, also nach der vorgesehenen Verladezeit, der Fahrer des sehr vertrauenserweckenden Fahrzeuges direkt vor uns noch mit dem Reifenwechsel (von allen 4 Pneus!) begonnen hat. Um 15:45 war er mit dem Reifenwechsel des kompletten Satzes durch und die Beladung der Fähre verläuft schnell und unkompliziert. Anti-Schlecht-Tablettli haben wir für alle Fälle dabei und wir versprechen den Hunden und uns gegenseitig eine erneut warme Nacht, ohne CH-Militärdecke und sogar mit Klo und Dusche.

Die Frage nach dem Klopapier hat sich kurz nach der Ankunft erübrigt, in der Kabine haben wir eine Rolle vorgefunden. Diese ist aber bereits leer und wir müssen nun doch auf der öffentlichen Schiffstoilette Klauen gehen (leer weil ich diese zur oberflächlichen Reinigung unseres Kabinen-Bads, das wahrscheinlich bei unserem Verlassen sauberer sein wird als bei unserer Ankunft, zumindest bestimmt mit weniger Abfall, weniger Haaren und weniger klebrigem Wasserhahn, verwenden musste). Fotos ersparen wir euch. Unserer Bitte nach zwei Decken für die kalte Kabine (hätten wir doch nur die Militärdecke eingepackt…) wurde jedoch sofort nachgekommen, wenn auch der Page nach dem Bringen der ersten Decke beim Anblick unserer zwei Kampfhunde kurzzeitig geflüchtet ist und Kevin ihm eine Weile nacheilen musste. Statt Anti-Schlecht-Tablettli haben wir versehentlich Magenschmerz-Tabletten eingepackt, was zumindest ich bereits ein bisschen bereue… Naja, noch zwei Tage durchhalten und im Fall der Fälle können wir zumindest beim Essensgeld sparen – positiv bleiben! Auf dem Schiff hat es übrigens doch noch ein paar mehr Touris als die Fahrzeug-Schlange vom Vortag erahnen liess – natürlich hauptsächlich Schweizer. Zwischendurch hören wir sie über vergangene Abstimmungen wie Minarett- und Vermummungsverbot philosophieren aber wir schaffen es zum Glück uns rechtzeitig zu entfernen bevor wir in Gespräche wie «ah ihr sind au vo Züri» oder «findeder au, dasses da so vil Araber hät?» oder so ähnlich verwickelt werden. Ich schreibe noch diesen Beitrag, trinke ein viel zu teures Cola gegen die Übelkeit und lege mich so gegen halb 12 hin für die Nacht. Kevin ist nach Beenden seines zweiten Sci-Fi’s bereits eingeschlafen.
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