Tag 9 – In Obhut der marokkanischen Armee
- Nadine
- 14. Feb. 2019
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. Aug. 2019
Unsere Wäsche ist leider gestern Abend nicht mehr getrocknet. Wir packen trotzdem zusammen, denn wir wollen weiter. Beim letzten Abwasch bemerken wir, dass etwas mit unserem Ablauf nicht stimmt, denn das Wasser läuft nicht mehr ab. Egal, wir fahren trotzdem los. Vor der Einfahrt zur Autobahn entdecken wir einen Stand mit Ton-Waren und wir kaufen einen Tajine-Topf. Wie man darin kocht wissen wir noch nicht aber wir werden es bestimmt noch herausfinden.


Kevin hat per Google Maps einen Ort in der Nähe von Kenitra zum «Kurz Rast machen» auserkoren. Der Weg dorthin verläuft durch kleine Dörfer, wo wir immer verwunderter angestaunt werden über eine 20 km lange Dreckstrasse. Der Verkehr ist grauenhaft und ich möchte hier nicht mehr fahren. Kevin übernimmt und nach ca. einer Stunde gelangen wir schliesslich an den Rand eines kleinen Dorfes. Mehrmals fragen wir uns, ob das wirklich eine gute Idee ist mit unserem nicht-Offroad-tauglichen Hektor. Ein paar nette Damen weisen uns daraufhin, dass wir im Begriff sind den falschen Weg einzuschlagen und wir doch lieber links abbiegen sollen. Wir folgen ihrem Rat, fragen uns aber immer noch, ob das wohl gut enden wird. Schliesslich passieren wir einen Rosskarren und finden uns plötzlich vor einem kleinen Kiosk neben einer Garage, die von ein paar schwarzen Blachen halbverdeckt wird wieder. Dahinter erspähen wir einen Mann in weissem Kittel, viele kleine Pulte und noch mehr kleine Kinder. Hier muss wohl die Grundschule sein. Wir glauben, uns verfahren zu haben und legen einen kurzen Stop ein, um uns zu orientieren. Unterdessen haben sich unzählige Kinder um unseren Bus versammelt und wir hören den Lehrer mehr als einmal ausrufen, aber die Kinder können sich unseretwegen wohl nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren und drehen sich immer wieder heimlich um, um uns aus grossen Augen zu begutachten.

Ich bin hier die einzige Frau, die kein Kopftuch trägt und Hunde auf dem Beifahrersitz haben die Menschen hier wahrscheinlich auch noch nie gesehen. Schliesslich weist uns ein Mann die Richtung des Strandes und wir fahren weiter, uns immer mehr fragend, was wir hier eigentlich machen und wann wir wohl den ersten «Platten» haben. Ich schaue auf Google Maps nach und entdecke eine kleine «Strasse», die zu einem Häuschen auf den Dünen führt. Dort wollen wir den ansässigen Bauern um Erlaubnis bitten, uns über Nacht dorthin stellen zu dürfen.




Vorbei geht es an grasenden Ziegen und Kühen, Hühnern, Katzen und Hunden. Alle Leute die wir passieren drehen sich nach uns um und schauen uns verwundert zu. Am Ende der Strasse und ohne «Platten» stellt sich heraus, dass besagtes Häuschen anscheinend ein militärischer Stützpunkt ist. Der nette Mann von der Armee muss sich erst einmal ins Häuschen umziehen, oft kriegt er hier wohl keinen Besuch. In Uniform stellt er sich uns schliesslich vor und begrüsst uns herzlich in Marokko. Wir sind total erstaunt über die freundliche Begrüssung und als er uns nach unseren Pässen fragt, zeigen wir sie ihm gerne. Er freut sich, ein paar Schweizer kennenzulernen und äussert sein Bedauern über den tragischen Fall der zwei schwedischen Touristinnen, die vor kurzem in Marokko ums Leben kamen. Hier seien wir auf jeden Fall sicher, versichert er uns. Tagsüber hier zu stehen sei überhaupt kein Problem und er werde auf uns und unseren Bus gut aufpassen. Ob wir auch über Nacht hier stehen dürfen müsse er erst mit seinem Chef besprechen, wir sollen doch kurz warten und es tue ihm Leid, dass er uns nicht gleich eine Antwort geben könne. Wir warten und nach 20-minütigem Funkgespräch teilt er uns mit, dass es ihm sehr Leid täte, aber wir nur bis um 19:00 hier bleiben dürfen, da es in der Nacht zu unsicher sei. In der Zwischenzeit verspreche er aber, immer ein Auge auf uns zu haben und für unsere Sicherheit zu sorgen. Wir nehmen es ihm nicht übel und parkieren unseren Bus vor den Dünen. Die natürliche, freundliche Umgangsart überrascht uns sehr und wir fühlen uns sehr sicher in der Obhut der Armee.



Den Nachmittag verbringen wir mit einem Spaziergang am kilometerlangen, menschenleeren Strand, der uns ein wenig wie aus dem Film «Inception» vorkommt. Sand & Wellen so weit das Auge reicht.






Aber leider erkennen wir auch immer mehr das eigentliche Ausmass des Müllproblems, mit dem Marokko kämpft. Das erste Mal bewusst wurde uns dies beim Einkauf im Supermarkt, wo uns der Mann beim Gemüse-Abwägen bei jedem Apfel, jeder Zitrone und jeder Peperoni erneut gefragt hat, ob wir denn sicher keine Tüte für all das wollen. Egal wo wir hinkommen, der Müll liegt hier überall verstreut. Trotzdem geniessen wir den herrlich warmen Nachmittag am Strand. Mit der Handykamera ist die Unendlichkeit und die Kraft des Ozeans an diesem Ort kaum einzufangen. Wir geniessen die Ruhe, das Rauschen der Wellen, sonnen uns ein wenig und kehren schliesslich zu unserem Bus zurück. Während dem Mittagessen stellen wir fest, dass der Armee-Mann Wort hält und regelmässig an unserem Bus vorbei patrouilliert. Es bleibt Zeit, die nasse Wäsche zu trocknen, den Abfluss zu flicken und die herrliche Umgebung zu erkunden. Plötzlich schreie ich und Kevin kommt sofort angelaufen, um zu sehen was passiert ist. Beinahe wäre ich auf eine Baby-Schildkröte getreten! In unserer kleinen surrealen Oase fühlen wir uns richtig wohl.


Bei der Rückfahrt beobachten wir die Störche im Sonnenuntergang vor der marokkanischen Savanne. Aus dem «Wow» und «Lueg so schön!» kommen wir kaum noch raus… Leider vergessen wir dabei die Zeit und als wir einen Nachtplatz suchen ist es bereits dunkel.




Die grosse Stadt Kenitra zu durchfahren ist in der Dunkelheit sehr anstrengend. Das Hupen, so haben wir beschlossen, gehört hier einfach zur Kultur dazu. Mittlerweile glauben wir auch, dass Fussgänger hier womöglich keinen Vortritt haben, da wir immer, wenn wir bei einem Fussgängerstreifen anhalten von den hinter uns wartenden Fahrzeugkolonne angehupt und von den Fussgängern perplex angeschaut werden, bis wir sie rüber-winken. Die Kreiselregeln haben wir bis jetzt noch immer nicht kapiert.
Leider ist der Parkplatz, den wir für unsere Übernachtung anvisiert haben, gesperrt. Wir fahren zurück in die Stadt und suchen den einzigen Campingplatz weit und breit. Dieser scheint aber geschlossen zu sein, zumindest brennt kein Licht und es steht kein Caravan hier. Plötzlich entdecken wir ein Absperrband und ein eifriger Marokkaner entfernt dieses sogleich, damit wir hineinfahren können. Etwas verwirrt fahren wir hinein und verbringen hier, als Einzige so wie es scheint, die Nacht. Ein wirklich skurriler Tag geht zu Ende.
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