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Tag ? – Die Wüste Marokkos und ihre Bewohner

  • Nadine
  • 2. März 2019
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 25. Aug. 2019

Wir hören nun auf die Tage zu zählen, da sie für uns sowieso zu verschwimmen anfangen. Gegen sieben werden wir vom Campingplatz-Besitzer geweckt. Er klopft an unsere Scheibe und reicht uns zwei Brote fürs Frühstück durchs Fenster, kann sich danach aber nicht mehr lösen von unserem Bus, der ihm anscheinend gut gefällt. Obwohl wir noch nicht mal richtig wach sind (geschweige denn richtig angezogen) bleibt er und stellt uns unzählige Fragen, wie wir das gemacht haben und ob er Fotos machen dürfe usw. Wir zeigen ihm gerne alles sobald wir aufgeräumt haben. Er schiesst, als wir bezahlen, viele Fotos und Videos vom Bus und ruft auch seine Frau, die ebenfalls unseren Hektor bestaunt. Vor zwölf Jahren habe er dasselbe gemacht wie wir, bloss war sein Hektor ein Töff und er ist durch ganz Afrika gereist. Auch er fragt uns, wie viele andere auch, ob wir verheiratet seien und wir antworten immer schnell «Ja», denn unverheiratete Paare sind nach marokkanischem Gesetz illegal. Seine Abschiedsworte an uns sind, dass er an den Europäern am meisten ihren Sinn fürs Reisen bestaune und er es toll finde, dass auch junge Leute sich diesen Traum irgendwie erfüllen, statt ihr Leben lang auf ein teures WOMO zu sparen. Er meint wir führen ein aussergewöhnliches Leben und wünscht uns nur das Beste für unsere Reise mit Hektor, von dem man sehe, dass unsere ganze Seele darin steckt. Wir danken ihm und er und seine Frau verabschieden sich mit vielen Umarmungen und wir gehen, mit dem Gefühl, uns schon lange zu kennen.

Der Weg nach Tazzarine ist lang aber die Strasse gut und gesäumt mit Dromedaren und schönen Landschaften und ein paar kleinen Windhosen die bis in den Himmel reichen. Wir übernachten auf einem hübschen Campingplatz mit kleinen Bivaks in einem farbenfrohen Garten.

Dort merken wir, dass unsere Erkältung wohl eher eine Grippe ist und aus diesem Grund entscheiden wir, am nächsten Tag in Merzouga ein Hotelzimmer zu nehmen. Wir finden auf Anhieb eins, das uns gefällt und bleiben eine Nacht. Am nächsten Tag wollen wir der Grippe mit einem Wüsten-Spaziergang (der schlussendlich den ganzen Nachmittag dauert) ein für alle Mal den Gar ausmachen. Wir erklimmen die höchste Düne, die wir finden können und Milo saust voller Euphorie und ungläubig über die unendliche Weite durch die Wüste, während Chewie gegen Ende unseres 150 Meter hohen Aufstiegs (im Sand fühlt sich das wie folgt an: 2 Schritte vorwärts, 3 zurück) in den Rucksack will. Auf einen Kamelritt verzichten wir, da wir es irgendwie schade finden, dass die tollen, gutmütigen, urzeitlichen Tiere hier für die Touristen so ausgebeutet werden, jedoch scheinen die Leute hier einen sehr guten Umgang mit ihren Tieren zu pflegen! Egal um welche Zeit ich aus dem Hotelfenster blicke, ich sehe von früh bis spät denselben Mann im blauen Gewand, der bei seinen drei Dromedaren sitzt, sie pflegt, füttert, striegelt usw.

Wir sind fasziniert von der Stille, der Weite und dem vielen Leben, das hier trotz der widrigen Bedingungen gedeiht. Wir bleiben noch eine Nacht im Hotel und unterhalten uns am Abend etwas mit einem der Mitarbeiter, der sich zu uns gesellt. Wie alle anderen, die dort arbeiten ist auch er sehr jung, vielleicht 20 Jahre alt. Er befragt uns, zu unserer Reise, was wir alles gesehen haben, wohin wir noch gehen werden, ob uns Marokko gefalle usw. Er spricht übrigens Arabisch, Französisch und die Berbersprache (die eine wunderschöne Schriftform hat, googelt sie mal, sie nennt sich «Tamazight») und wir fragen ihn schliesslich nach den ominösen Wüsten-Chamäleonen. Er meint, die gäbe es überall in der Wüste bei den Grashalmen, was wir unbedingt noch herausfinden wollen. Dann erzählt er uns von seinem Heimatdorf, einem Berbertal und, dass er nur alle 30 Tage für eine Nacht nach Hause fährt, da es acht Stunden Busfahrt entfernt sei. All das erzählt er uns mit einem Lächeln auf dem Gesicht und uns beschleicht ein wahnsinnig beklemmendes Gefühl. Alle Leute, die wir treffen waren bisher sehr herzlich, zuvorkommend und nett zu uns. Wir denken an all die Privilegien, die wir als junge Schweizer haben und an all die Dinge, die wir erlebt haben und noch erleben werden, aber vor allem daran, dass die meisten jungen Leute hier niemals die Chancen haben werden, die uns quasi angeboren wurden…

Nach dem Gespräch mit dem netten jungen Berber kommt mir eine Szene aus einer Marokko-Dokumentation in den Sinn. Darin wundert sich ein Nomade über die ihm so fremde Eigenschaft der Europäer, immer etwas zum Nörgeln zu finden und immer unzufrieden zu sein, mit dem was man gerade hat. Tatsächlich haben wir in unserer ganzen Reise noch nicht einmal das Wort «Nein» zu hören bekommen. Fragen wir nach etwas, springen immer gleich alle, wenn sie es nicht haben, kennen sie sicher jemanden der helfen kann aber «Nein», das hat bisher noch keiner zu uns gesagt. Ich persönlich glaube, wir können wahnsinnig viel von den Menschen hier lernen, was Toleranz, Nächstenliebe, echtes Interesse am Anderen und Glück bedeutet.

Am nächsten Morgen fühlen wir uns etwas besser und vermissen unseren Hektor schon sehr… Wir wollen wieder in den Bus und machen uns früh morgens auf, an einen See, von dem uns jemand erzählt hat, es gebe dort Flamingos. Wir finden den See und ein riesen Schwarm Flamingos fliegt gerade ans andere Ufer, so weit entfernt, dass wir sie leider kaum sehen… Wir bleiben trotzdem für einen Kaffee, einen Spaziergang und beobachten die Dromedare beim Baden und Weiden.

Schliesslich wollen wir noch in die Wüste, wir müssen ja noch das Chamäleon finden😊. Beim ersten Versuch bleiben wir leider prompt im tiefen Sand stecken. Zuerst versuchen wir uns selbst auszubuddeln (bewaffnet mit unseren Flipflops als Schaufeln), leider klappt das nicht. Nachdem wir uns etwas ausgeruht haben, marschiert Kevin los um Hilfe zu holen während ich mit den Hunden im Schatten eines Baumes warte. Nach nur knapp fünf Minuten kehrt er zurück, zwei Einheimische im Schlepptau, mit Schaufeln in der Hand. Der eine spricht sogar ein bisschen «Schwiizerdütsch» («Chuchichäschtli» und so…) und ich habe den Verdacht, dass wir nicht die ersten Schweizer sind, die in der Wüste komplett versagen. Sie haben kaum angefangen zu Buddeln und Zweige zu pflücken kommt ein dritter Kollege mit dem Traktor (klingt nach schlechtem Witz, ist aber genauso passiert) und wir sind schliesslich gerettet. Wir zahlen den ausgemachten Preis (der uns für die 10 Minuten Aufwand zwar etwas hoch erscheint – für marokkanische Verhältnisse) und bekommen als Bonus einen besseren Weg in die Dünen und ein paar Tipps fürs Fahren in der Wüste geschenkt.

Beim zweiten Anlauf klappt es schliesslich und wir haben einen Parkplatz direkt in den Dünen. Wir bleiben noch ein paar Tage und geniessen die unbeschreibliche Stille, die Millionen Sterne, die tausenden Libellen (Was, Libellen in der Wüste? Ich weiss auch nicht woher die kommen aber sie sind zu schnell für die Fotos) und haben fest vor, morgen auf Chamäleon-Expedition zu gehen. Drückt uns die Daumen, unser Ehrgeiz ist geweckt!


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